Auswirkungen des Alkoholismus in der Familie auf das Kind
Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung durch Alkoholismus in der Familie nicht ausschließlich auf die Sucht eines Elternteil zurückzuführen sind. Vielmehr handelt es sich um sich gegenseitig bedingende und vielfältige Faktoren, die bei der Untersuchung von Entwicklungsrisiken und -störungen nicht isoliert betrachtet werden dürfen.
Kinder aus Alkoholikerfamilien sind im Vergleich zu ihren Altersgenossen nicht selten mit zusätzlichen Problematiken belastet: Eine agressive Familienatmosphäre, mangelnder Förderung und Zuneigung, sowie Vernachlässigung durch die Eltern behindern die Kinder in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und überfordern sie. Dazu kommt die Erfahrung von häufigen Konflikten zwischen den Eltern, sowie Trennungs -oder Scheidungserfahrungen und damit verbundene Umzüge und Schulwechsel. Die Abhängigkeit des Vaters ist oft mit Arbeitslosigkeit und finanziellen Problemen verbunden, womit er als Vorbild die Entwicklung des Kindes nicht positiv prägen kann.
Auch steht der Alkoholismus mit möglichen Entwicklungsstörungen nicht in einem kausalen Zusammenhang. Dies belegen Studien von Burk & Sher (1988), D’Andrea et al. (1994), Heller et al. (1982), West & Prinz (1987) und Zobel (1997), welche die unterschiedlichen Bewältigungsformen dieser Kinder nachweisen.
Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Personen-Perspektivierung. Kinder aus Alkoholikerfamilien nehmen die evtl. vorhandenen eigenen Störungen vielfach selbst nicht wahr. Zuweisungen von Interaktionspartnern aus dem sozialen Umfeld erfolgen für sie aus der Außenperspektive und sind für sie nicht konsensfähig. Ihr eigentliches Leiden beruht dann vielmehr auf den daraus resultierenden Interaktionsproblemen. Bei Konflikten mit Interaktionspartnern wird nicht das Handeln beider kritisch betrachtet, sondern nur das des „gestörten Kindes“. Die Schuld bzw. Ursache bei Problemen wird beim Kind gesucht. Diese Problematik ist auch beim süchtigen Elternteil gegeben.
Das größte Risiko, dem Kindern aus alkoholbelasteten Familien ausgesetzt sind, ist die Gefahr selbst alkoholkrank zu werden. Studien belegen, dass über 30 % der Alkoholikerkinder, die mindestens einen süchtigen Elternteil hatten, später ebenfalls trinken. Als Gründe dafür können bspw. die fehlende Vorbildfunktion der Eltern oder die höhere Alkoholverträglichkeit bei Männer, die dadurch leichtsinniger und damit suchtgefährdeter sind, genannt werden.
Allerdings ist es besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass es zahlreiche Studienergebnisse gibt, die den oben erwähnten Befunden hinsichtlich der Defizite von Kindern aus Alkoholikerfamilien widersprechen bzw. diese nicht bestätigen können. Zum einen liegt dies daran, dass sie die Ursachen nicht ausschließlich auf den Alkoholismus eines Elternteils zurückführen, sondern auch Begleitfaktoren beleuchten.